Pflegeheime in Deutschland setzen zunehmend auf ausländische Pflegefachkräfte. Wie Einrichtungen den multikulturellen Pflegealltag erfolgreich gestalten können.
Pflegefachkräfte aus dem Ausland: Vielfalt als neue Normalität
In deutschen Pflegeheimen ist Vielfalt längst Alltag. Internationale Pflegekräfte in Deutschland übernehmen heute einen wichtigen Teil der pflegerischen Versorgung. Ob aus den Philippinen, Vietnam, Indien, Bosnien, Kroatien oder Tunesien: die Zahl ausländischer Pflegefachkräfte wächst seit Jahren kontinuierlich.
Der demografische Wandel, Personalmangel und fehlende Nachwuchskräfte machen die gezielte Anwerbung von Pflegefachkräften aus dem Ausland zu einem zentralen Baustein für die Zukunft der Pflege.#
Warum kommen internationale Pflegekräfte nach Deutschland?
Viele Einrichtungen kooperieren mit Anwerbeprogrammen wie „Triple Win“ der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Diese Programme vermitteln qualifizierte Pflegekräfte aus Drittstaaten nach Deutschland.
Laut einer Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln gibt es zwei Hauptwege, über die Pflegefachkräfte aus dem Ausland in Deutschland Fuß fassen:
1. Berufliche Anerkennung mit Anpassungsqualifizierung
Pflegekräfte, die bereits im Ausland eine abgeschlossene, staatlich anerkannte Ausbildung absolviert haben, können in Deutschland ein Anerkennungsverfahren durchlaufen. Oft werden dabei Unterschiede zwischen der Ausbildung im Herkunftsland und der deutschen Pflegeausbildung festgestellt. Ist keine volle Gleichwertigkeit nachweisbar, können Teilanerkennungen ausgesprochen werden.
Zur vollständigen Anerkennung stehen zwei Optionen offen:
eine Anpassungsqualifizierung (in der Regel bis zu ein Jahr) mit anschließendem Fachgespräch
eine Kenntnisprüfung, meist in Kombination mit einem Vorbereitungskurs
Während dieser Qualifizierungszeit können die Pflegekräfte oft bereits als Pflegehilfskräfte arbeiten und erhalten ein Gehalt, was die Integration in den Arbeitsalltag erleichtert.
2. Erneute Ausbildung in Deutschland
Für junge Pflegekräfte mit wenig Berufserfahrung oder bei größeren Unterschieden zwischen den Ausbildungsinhalten ist der Weg über eine erneute Ausbildung sinnvoll. Diese dauert regulär drei Jahre, kann aber bei vorhandenen Qualifikationen um ein Jahr verkürzt werden.
Ein entscheidender Vorteil dieses Weges: Es bleibt mehr Zeit für den Erwerb solider Deutschkenntnisse, und die Integration ins Team erfolgt häufig reibungsloser. In der Ausbildung lernen die internationalen Fachkräfte die in Deutschland relevanten Pflegeinhalte von Grund auf.
Entscheidung abhängig vom Profil
Welche Variante geeigneter ist, hängt stark vom individuellen Hintergrund der Pflegekraft ab. Menschen mit hoher Eigenverantwortung, beruflicher Vorerfahrung und guter Sprachbasis können meist vom Anerkennungsverfahren profitieren. Für andere empfiehlt sich eine Ausbildung, auch wenn sie mehr Zeit und Aufwand bedeutet.
Das Ziel bleibt in beiden Fällen gleich: eine langfristig gut integrierte Pflegefachkraft, die fachlich und sozial in ihrem neuen Arbeitsumfeld ankommt.
Sprachbarrieren im Pflegealltag: Verständigung ist entscheidend
Ausländische Pflegefachkräfte bringen häufig eine solide fachliche Ausbildung mit. Im Pflegealltag zeigt sich jedoch, dass Sprache über Sicherheit und Beziehung entscheidet. Fachsprache, Dialekte oder emotionale Zwischentöne stellen große Herausforderungen dar.
Einige Maßnahmen, die sich in der Praxis bewährt haben:
Fachsprachkurse im Pflegebetrieb
Tandem-Modelle mit deutschsprachigen Kolleginnen und Kollegen
Visualisierungshilfen wie Piktogramme und einfache Formulare
Regelmäßige Kommunikationstrainings
Pflegeeinrichtungen, die diese Unterstützungsangebote integrieren, berichten von mehr Sicherheit im Team und weniger Missverständnissen mit Bewohnerinnen und Bewohnern.
Pflegeverständnis ist kulturell geprägt
Pflege ist überall auf der Welt Beziehungspflege. Doch die Art und Weise, wie Nähe, Respekt oder Fürsorge gelebt wird, ist kulturell verschieden.
In einigen Kulturen gilt es als höflich, körperliche Distanz zu wahren. In anderen wird es erwartet, dass man emotionale Wärme durch Berührung zeigt. Auch der Umgang mit Sterben, religiösen Ritualen oder Angehörigen kann je nach Herkunft stark variieren.
Typische kulturelle Unterschiede betreffen zum Beispiel:
Thema | Mögliche Unterschiede |
Hierarchien | Autoritätsgläubigkeit vs. flache Führung |
Körperpflege | Schamkulturen vs. pragmatischer Zugang |
Nähe und Distanz | Zurückhaltung vs. emotionale Offenheit |
Rollenverständnis | Pflegekraft als Dienstleisterin oder Familienrolle |
Diese Unterschiede können zu Unsicherheiten oder Konflikten führen, wenn sie nicht thematisiert werden. Erfolgreiche Einrichtungen schaffen bewusst Raum für kulturelle Reflexion, zum Beispiel in Teamsitzungen oder durch interkulturelle Schulungen.
Integration ausländischer Pflegefachkräfte: Was funktioniert in der Praxis?
Pflegeheime, die aktiv in die Integration von Pflegefachkräften aus dem Ausland investieren, profitieren langfristig von stabileren Teams und höherer Mitarbeiterbindung. Dabei zeigen sich insbesondere vier Maßnahmen als hilfreich:
1. Mentoring und strukturierte Einarbeitung
Ein erfahrener Mentor oder eine Mentorin begleitet die neue internationale Pflegekraft über mehrere Monate hinweg. Neben fachlichen Fragen geht es auch um alltägliche Themen wie Abläufe, Kommunikation oder soziale Integration.
2. Interkulturelle Fortbildungen für das gesamte Team
Nicht nur die neuen Kolleginnen und Kollegen müssen sich anpassen. Auch das bestehende Team profitiert von Schulungen zu Themen wie Kultursensibilität, Vorurteilen oder internationalem Pflegeverständnis.
3. Sprachförderung am Arbeitsplatz
Fachsprache ist ein zentraler Bestandteil sicherer Pflege. Pflegeheime, die Sprachlernzeiten ermöglichen oder Kooperationen mit Sprachschulen eingehen, erleichtern den Einstieg für internationale Pflegekräfte.
4. Anerkennung und Sichtbarkeit
Viele Häuser stellen die kulturelle Vielfalt bewusst dar, etwa durch Willkommenswände, kleine Vorstellungsplakate oder internationale Feste. Das fördert Zugehörigkeit und stärkt die Teambindung.
Angehörige mit einbeziehen
Angehörige stellen sich häufig Fragen, wenn Pflegefachkräfte aus dem Ausland die Versorgung ihrer Lieben übernehmen. Sie sorgen sich etwa um Verständigung, kulturelle Unterschiede oder auch um die fachliche Qualifikation.
Einrichtungsleitungen können hier frühzeitig Vertrauen schaffen:
durch Transparenz in der Teamvorstellung
durch Informationen über Qualifikationen und Herkunft der Pflegekräfte
durch aktive Kommunikation bei Fragen oder Unsicherheiten
Den Angehörigen sollte folgendes vermittelt werden: Internationale Pflegekräfte in Deutschland arbeiten nur dann im Beruf, wenn ihre Ausbildung offiziell anerkannt wurde oder sie eine vollständige Ausbildung nach deutschem Standard absolviert haben.
Viele bringen bereits jahrelange Berufserfahrung mit und in einigen Herkunftsländern gelten in bestimmten Bereichen sogar höhere Standards, etwa bei der technischen Pflegeausbildung oder im Umgang mit Angehörigen.
Sprachbarrieren können verunsichern, aber sie sagen nichts über die fachliche Kompetenz aus.
Einige Einrichtungen erstellen Infomaterialien über die Herkunft, Qualifikation und Erfahrung ihrer internationalen Mitarbeitenden. Das hilft Angehörigen, sich ein Bild zu machen und baut auf Augenhöhe Brücken zwischen Familien und Pflegepersonal.
Je mehr Einbeziehung und Aufklärung stattfindet, desto mehr Akzeptanz entsteht auch bei den Familien.
Fazit: Pflegevielfalt braucht Struktur, Sprache und gegenseitigen Respekt
Internationale Pflegekräfte in Deutschland leisten heute einen unverzichtbaren Beitrag zur Versorgung. Doch erfolgreiche Integration passiert nicht von allein. Sie braucht Zeit, Begleitung und eine klare Haltung in der Führung.
Pflegeheime, die auf interkulturelle Öffnung setzen, investieren in Zukunftssicherheit. Denn Vielfalt ist keine Übergangslösung, sondern die neue Realität.
Quellen:
GIZ: Triple Win Programm für internationale Pflegekräfte, https://www.giz.de/de/weltweit/41533.html
Biebeler, H.; Körbel, M.; Pierenkemper, S. (2016): Rekrutierung internationaler Krankenpflegekräfte – berufliche Anerkennung oder Ausbildung in Deutschland, BWP 3/2016. URN: urn:nbn:de:0035-bwp-16348-8
IQ Netzwerk: Individuelle Unterstützung für volle Anerkennunghttps://www.netzwerk-iq.de/angebote/iq-good-practice/beratung-und-qualifizierung/anpassungsqualifizierung-pflege