Was wir von Skandinavien lernen können: Pflege neu denken

Was wir von Skandinavien lernen können: Pflege neu denken

Was wir von Skandinavien lernen können: Pflege neu denken

blue and white boat near buildings at daytime
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Skandinavien klingt nach Fjorden, Design und glücklichen Menschen. Doch auch wenn es um Pflege geht, lohnt sich ein Blick nach Norden. Norwegen, Schweden und Dänemark gelten seit Jahren als Vorbilder für eine moderne, menschenzentrierte Pflege. Was machen sie anders? Was davon ist übertragbar - und was braucht es, damit aus Inspiration auch Transformation wird?

1. Pflegekräfte als Profis → Nicht nur Helfer/innen

In Skandinavien hat der Pflegeberuf ein anderes Standing. Pflegekräfte sind dort ausgebildete Fachleute mit akademischem Hintergrund und mit echter Verantwortung. Sie arbeiten auf Augenhöhe mit Ärzt/innen, treffen Entscheidungen, leiten Teams. Das ist nicht nur ein Ausdruck von Wertschätzung, sondern wirkt sich auch unmittelbar auf die Qualität der Versorgung aus.

Starke staatliche Finanzierung sorgt für ausreichend Personal und für Arbeitsbedingungen, die Belastung reduzieren. Der Druck ist geringer, der Beruf attraktiver.

Was heißt das für uns?
Pflegeeinrichtungen in Deutschland können und sollten selbst ein Zeichen setzen. Wer seinen Mitarbeiter/innen Mitspracherechte gibt, Mentoring anbietet und eine echte Kommunikationskultur etabliert, schafft nicht nur ein besseres Miteinander, sondern wirkt nach außen glaubwürdig. Und genau das zieht heute junge Fachkräfte an.

2. Weniger Papier, mehr Pflege

Ein Befund, der sich durch alle skandinavischen Länder zieht: Pflegekräfte verbringen dort mehr Zeit mit den Menschen und deutlich weniger mit Formularen. Studien aus Norwegen, Finnland und Schweden belegen: Zufriedene Pflegekräfte sind die, die pflegen dürfen und nicht die, die protokollieren müssen.

Was wäre, wenn …?
… Pflegekräfte in Deutschland wieder 60 - 70 % ihrer Zeit direkt bei den Bewohner/innen verbringen könnten? Möglich wäre das mit einem Dokumentationspool, digitalen Assistenzsystemen und klaren Rollentrennungen. Büroarbeit gehört nicht in die Hände von Pflegeprofis. Menschlichkeit schon.

3. Pflege gehört in die Nachbarschaft

In Skandinavien ist Pflege Teil des Alltags. Freiwillige aus der Nachbarschaft begleiten Bewohner/innen zu Veranstaltungen, Gemeinwesenangebote schaffen neue Verbindungen zwischen ambulanten und stationären Diensten. Pflege ist kein abgegrenzter Raum, sondern eingebunden in das Leben vor Ort.

Das geht auch hier:
Pflegestammtische, Besuchsprojekte, Kooperationen mit lokalen Initiativen: Sie stärken das soziale Netz und entlasten das Fachpersonal. Und sie geben den Bewohner/innen das Gefühl, nicht abgeschoben zu sein, sondern weiterhin mitten im Leben zu stehen.

4. Silviahemmet: Ein Demenzmodell macht Schule

1996 gründete Königin Silvia von Schweden das Silviahemmet-Programm. Heute ist es eines der erfolgreichsten Demenzkonzepte Europas. Das Besondere: Einfühlung statt Kontrolle. Workshops für Teams, Begleitung von Angehörigen, klare Kommunikation und eine Umgebung, die Sicherheit ausstrahlt.

In einer deutschen Station, die nach diesem Modell arbeitet, sank die Fixierungsrate, das Wohlbefinden stieg messbar. Kein Zufall.

Wer Demenzpflege verbessern will, sollte hier ansetzen:

  • Schulungen für Teams

  • Raumgestaltung mit Wohnlichkeit

  • Angehörige als Teil des Konzepts

5. Pflege ist eine Haltung und keine Checkliste

Was skandinavische Pflegephilosophie auszeichnet, ist ihre ethische Tiefe. Die Theorien von Katie Eriksson, Kari Martinsen oder das VIPS-Modell betonen Menschlichkeit, Begegnung, Wahrnehmung - weit mehr als bloße Aufgaben.

In Karlsruhe etwa arbeiten Pflegeeinrichtungen mit „Gefühlswörterbüchern“, um Kommunikation im Alltag bewusster zu gestalten. Wer Pflege nicht als Pflicht, sondern als Beziehung versteht, schafft Bindung - sowohl zu den Bewohner:innen als auch im Team.

6. Digitalisierung: nicht als Feind, sondern als Werkzeug

Pflege digitalisieren? In Skandinavien bedeutet das nicht: Pflege ersetzen. Sondern: Zeit gewinnen. Digitale Dokumentation, E-Learning, vernetzte Plattformen: Sie entlasten, strukturieren und verbessern die Qualität.

Wie geht das bei uns?
Mit einheitlicher Software statt Flickenteppich. Mit digitalen Onboardings, die Neulinge wirklich abholen. Mit Apps für Tagesplanung statt Papierzetteln auf Stationszimmern. Wer digital klug aufstellt, spart nicht nur Zeit, sondern punktet auch beim Recruiting.

7. Wahlfreiheit mit Rückhalt

In Stockholm wählen Senior/innen zwischen verschiedenen Anbietern: Ein Modell, das Selbstbestimmung ermöglicht.

Aber: Wer sich nicht auskennt, fällt durchs Raster. Genau hier zeigt sich, wie wichtig Beratung ist.

Für Deutschland heißt das:
Pflegeanbieter sollten klar kommunizieren, was sie anbieten und wie sie es machen. Transparenz schafft Vertrauen. Und soziale Gerechtigkeit.

8. Innovation hat einen Preis. Und den verdient sie!

Der Queen Silvia Nursing Award prämiert pflegerische Innovationen mit 6.000 Euro und einem Mentoring. Keine Imagekampagne, sondern echte Förderung. Warum nicht auch in Deutschland?

Ein möglicher Weg:

  • Innovationsfonds für Pflegeideen

  • Kooperationen mit Fachhochschulen

  • Projektbudgets zur Umsetzung

Kreativität gibt es in der Pflege genug – sie braucht nur Raum.


woman in blue tank top wearing black framed eyeglasses
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Fazit: Modernisieren heißt nicht nur investieren, sondern auch zuhören

Was Skandinavien vormacht, lässt sich nicht eins zu eins übertragen. Aber es lässt sich sehr wohl adaptieren. Entscheidend ist, wie viel Mut und Willen zur Veränderung wir aufbringen. Als Träger, als Leitung und als Pflegekraft. Wer sich an diesen acht Prinzipien orientiert, kann viel bewegen:

 ✅ Mehr Wertschätzung = bessere Bindung
✅ Weniger Bürokratie = mehr Zeit für Pflege
✅ Gemeinde einbinden = mehr Lebensqualität
✅ Pflegephilosophie leben = stärkere Identität
✅ Digitalisierung gezielt einsetzen = Zeitgewinn
✅ Transparente Beratung = gerechte Wahl
✅ Innovation fördern = Zukunft gestalten

Und das Beste: Diese Impulse lassen sich hervorragend sichtbar machen: In Social-Media-Kampagnen, Employer-Branding-Artikeln oder Interviews mit Leitungskräften. Pflege wird attraktiver, wenn sie zeigt, dass sie sich bewegt.


Quellen:

MagnetJobs Pflege-Magazin

Wissen, Einblicke und Impulse rund um Pflege und Arbeitswelt. Das Magazin für Fachkräfte und Entscheider:innen von MagnetJobs.

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